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Ein Interview mit Armin Rütters - 1.2.2009
Herr Rütters, Sie beschäftigen sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Phänomen "Serienmörder" - wieso fasziniert Sie dieses Thema so?
Es ist die kriminologische Seite der Täter, die mich beschäftigt. So schrecklich es klingen mag, aber auf den Punkt gebracht, die Faszination des Bösen. Was geht in solch einem Menschen vor, welches Selbstverständnis hat er von sich, was ist mit ihm vor - und nach der Tat und welches Werteverständnis hat der Täter?
Ein Schwerpunkt Ihres Interesses ist Karl Denke, der von 1903 - 1924 geschätzte 31 Menschen tötete und verspeiste. Was ist an Menschen wie Denke so besonderes, dass Sie ihnen Jahrzehnte Ihrer Freizeit gewidmet haben?
Die Taten des Karl Denke sind völlig rätselhaft und es gibt eine ganze Reihe von Theorien. Überzeugend ist keine! Er war jedoch sicher eine schwer gestörte Persönlichkeit bis an die Grenze zur Schizophrenie, aber das ist auch nur meine Theorie.
Mein Interesse wurde durch den Umstand angestachelt, daß es so schwer war, an zuverlässige Informationen zu gelangen.
Sie haben vor Ort im polnischen Ziebice, dem ehemaligen Münsterberg, das Haus des Täters besichtigt und sich dort umgetan - ist Karl Denke nach rund 100 Jahren immer noch präsent bei den Einwohnern?
Nein! Die heute dort lebenden Polen sagen, das ist deutsche Geschichte und wir haben damit nichts zu tun.
Was hat Sie bei Ihren Recherchen in Ziebice besonders beeindruckt?
Die Ahnungslosigkeit von Frau Marianne Janowska, die heute in der Wohnung lebt, die Denke 2 Jahre vor seinem Freitod bewohnt hat und in deren Zimmer (24 qm) er ca. 8 Menschen geschlachtet und gegessen hat. Sie hat 1957 und 1960 Knochen im Garten gefunden, hielt dies aber für Menschenknochen von Soldaten des letzten Krieges. Ich habe der alten, freundlichen Dame dann keine Fragen zu Denke gestellt und auch meine Fotos ihr nicht gezeigt. Da Frau Janowska in ein Altenheim gehen wollte, bot sie mir ernsthaft das Haus zum Kauf an. Da ich aber die Geschichte des Hauses kenne, habe ich dankend abgelehnt.
Sie haben dort über 100 Interviews geführt und auch Zeitzeugen befragt, wie erinnern sich die Menschen an Karl Denke?
Die Interviews habe ich vorwiegend mit geborenen Münsterbergern geführt und dies über einen längeren Zeitraum gemacht. Darunter waren 2 Menschen, die Denke persönlich begegnet sind. Auffallend war für mich dabei, daß der Hass auf Denke heute noch vorhanden ist! Die Formulierung:"Der hat soviel Dreck über unsere schöne Stadt ausgeschüttet, das verzeihen wir nie" habe ich häufig gehört.
Welche Rolle spielt die Stadt Münsterberg als Tatumgebung? Hätte ein Serientäter wie Denke auch überall sonst sein Unwesen treiben können oder gibt es so etwas wie böse Orte?
Denke hätte überall auftauchen können. Der Ort Münsterberg ist nett gelegen, war wirtschaftlich sehr gut aufgestellt. Als die Taten des Mitbürgers Weihnachten 1924 in der Stadt bekannt wurden, war dies ein gewaltiger Schlag für die Menschen und hat die Wirtschaft nachhaltig geschädigt.
Wie erklären Sie sich, dass jemand wie Fritz Haarmann heute bekannter ist als Karl Denke, obwohl Denke mehr Menschen umbrachte und zudem noch Kannibale war?
Weil es keinen Prozess gab und die Menschen verdrängen wollten und auch mit sich selbst genug zu tun hatten.
Sie halten unter dem Titel "Mord auf der Oker" eine eigene Lesereihe zu berühmten Mördern ab, bei dem Sie Ihre Gäste auf einem Floß erschauern lassen - eine sehr ungewöhnliche Form, eine Lesung zu halten.
In der Tat, sehr ungewöhnlich aber sehr erfolgreich. Wir bieten Spannung durch die Lesung und wer sich entkrampfen möchte, schaut auf die Landschaft. Wir gehen 2009 ins achte Veranstaltungsjahr und gehören zu den 10 innovativsten touristischen Angeboten in Niedersachsen.
Herr Rütters, womit können wir in Zukunft von Ihnen rechnen? Was planen Sie derzeit?
Im letzten Jahr habe ich über Adolf Seefeld gelesen. In diesem Jahr Friedrich Schumann ("Der Schrecken des Falkenhagener Forstes"), den man als ersten Serienmörder der Neuzeit in Deutschland bezeichnen könnte und fast völlig vergessen ist. Die zweite Geschichte handelt von Carl Großmann, einem sexuellen Sadisten wie aus dem Lehrbuch. Die Lesungen dauern 1.5 Std und sind vorwiegend am Wochenende von Mai bis September.
Herr Rütters, wir danken Ihnen für dieses Interview.
Zur Person:
Armin Rütters über sich: "über mich selbst ist nicht so viel zu sagen, vielleicht dies, etwas augenzwinkernd gemeint:
Armin Rütters
Als meine Mutter erfuhr, welche Bücher ich angefangen hatte zu lesen, konnte sie es nicht glauben und bekreuzigte sich vorsichtshalber. Meine Frau wurde gefragt, ob sie nicht ein mulmiges Gefühl hätte. Mittlerweile ist die Zahl gelesener Bücher und Artikel nicht mehr abzuschätzen. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Doch das Hauptinteresse gilt den deutschen historischen Kriminalfällen der 20er bis 40er Jahre.
Bin 1944 geboren, Witwer und seit 2004 Pensionär. Leseratte und Klassik Fan. Liebe verregnete Sonntage, Pilzgerichte und skurrile Witze."
Aktuell:
Mord auf der Oker - Autoren lesen „Kriminalistisches und Kriminologisches" zur Dämmerstunde
Floßfahrt auf der Oker
Seit nunmehr acht Jahren bietet die Stadt Braunschweig spannende Floßfahrten auf der idyllischen Oker an. Dabei vergessen Sie das lebhafte Treiben einer Großstadt und tauchen in eine faszinierende und fesselnde Atmosphäre ein, bei spannenden Geschichten über viele Facetten des Verbrechens. Neben den alten Bekannten der letzen Jahre ist ein weiterer Schriftsteller sowie neue Geschichten an Bord: Dr. Gerd Biegel, Thomas Ostwald, Birgit Lautenbach, Dirk Günter Hilmar Rühmann und Armin Rütters.
Aufgrund des „Kultstatus" von „Mord auf der Oker" ist die Nachfrage sehr hoch. Es wird deshalb empfohlen, sich im Vorverkauf rechtzeitig Ihre Karten zu sichern!
Reservierungen sind erforderlich: weitere Informationen hier.
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